zum Inhalt

« zurück

 

Bildergalerie 2006 - 2011

Interkulturelle Frauenbegegnungstage 2006
1. bis 5. November 2006 in Krzyzowa/Polen

Krzyzowa - ehemals Kreisau ist ein Ort der Begegnung und des Dialogs, der von der Unterschiedlichkeit der Menschen lebt, die dort zusammen kommen. Krzyzowa - Kreisau ist ein Ort des Brückenbaus zwischen gestern und heute und den Menschen zwischen Ost und West. Es ist ein Ort mit deutscher Vergangenheit des Widerstands gegen das Hitler-Regime, bezogen besonders auf die Person Helmuth James von Moltkes, dem Kreisauer Kreis. Das ehemalige Gut ist wieder aufgebaut als Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung und ist ein Ort der Vergangenheitsbewältigung in Polen - mit dem Blick in die Zukunft für Versöhnung und Begegnung unterschiedlicher Nationen.

Frauen aus Polen, Deutschland, Russland, Weißrussland und der Ukraine begegneten sich hier. Aus der tragenden Kraft des Glaubens trugen sie zusammen, was sie zum Thema: "Frauen und Widerstand" bewegte. Um ihren Beitrag sichtbar zu machen und zu würdigen, tauschten sie sich aus über Frauen, die in den jeweiligen Ländern Widerstand geleistet haben in der Zeit des National-sozialismus, in der Zeit der Sowjetischen Diktatur und fragten nach heute notwendigen Formen des Widerstands.
Die Tagung wurde geleitet von Tamara Tatsenko, Frauenarbeit der ELKRAS, St. Petersburg und Hanna Manser, Frauenarbeit der EKM, Magdeburg.

Die Begegnungstage waren ein Beitrag auf dem Weg der 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung, wo Christinnen und Christen aufgerufen sind, einander zu begegnen. Aus allen Europäischen Kirchen sind sie eingeladen, sich im Licht des Evangeliums ihre gemeinsamen Aufgaben und ihre Verantwortung für das Zusammenwachsen Europas bewusst zu machen. Sie sind auf einem symbolischen Pilgerweg um ihre je eigene Tradition und Kultur ins Gespräch zu bringen. Unterwegs zu mehr Achtung und Versöhnung wird auch die Stärkung des Engagements der Frauen in den Blick genommen. In den Gesprächen wurde deutlich wie schwer es mit der Ökumene sein kann. Eine Teilnehmerin aus Weißrussland erzählte von Reaktionen in ihrem Land, die den Dialog zwischen orthodoxen, katholischen und evangelischen Christinnen und Christen stark anfragen.

Verlauf der Tagung
Ein Teil der Frauengruppe traf sich auf dem Bahnhof in Wroclaw/ Breslau, um gemeinsam mit einem Kleinbus ca. 60 km süd-westlich nach Krzyzowa/ Kreisau zu fahren. Da es der 1. November war - Allerheiligen nach dem katholischen Feiertagskalender und in Polen von allen Familien begangen - hielten wir in Swidnica/ Schweidnitz an, um über den Friedhof zu gehen. Alle Gräber waren von Angehörigen mit einer Vielzahl von Öllampen, Kerzen und Blumen geschmückt, in der kleinen Kapelle wurde nach orthodoxem Ritus gebetet. Auf der Fahrt in der Dämmerung sahen wir die Lichter anderer Friedhöfe. Bewegt von diesem ersten Eindruck schlossen die Teilnehmerinnen erste Kontakte.


Beim Abendessen traf sich die gesamte Gruppe:
11 deutsche Frauen aus dem Rheinland, Hannover, Magdeburg, Erfurt, Halle, Wolfenbüttel, Sangerhausen,
3 Frauen aus Kaliningrad, zwei aus Vitepsk und Minsk, zwei aus Lviv/ Lemberg,
8 Frauen aus Polen, Mitarbeiterinnen aus Kreisau und Frauen aus Breslau.
Die Konferenzsprache war deutsch und die meisten verstanden die deutsche Sprache.
(Es bleibt schade und peinlich, dass wir deutschen Frauen mit der östlichen Sprache so dürftig vertraut sind.) Eine Morgenandacht in der kleinen Dorfkirche und der Abendsegen rundeten die Tage ab und waren von der Teilnehmerinnen unterschiedlicher Länder vorbereitet.

Besonders bewegend war die Andacht der Frauen aus Kalinigrad mit dem Bild des Bernstein.
Hier ein kleiner Ausschnitt:
    In der Hand habe ich eine Schale. Die Frauen aus unserem Frauenkreis haben sie gebastelt. In der Schale ist Sand aus der Ostsee. Da sehen sie auf dem Sand einige Bernsteine liegen. Die kann man bei uns auf dem Strand finden. Aber, wenn das Wetter schön ruhig und sonnig ist, dann ist das schwer zu machen. Erst wenn der Storm kommt, dann wirft die Ostsee Bernsteine auf den Strand. In unserem menschlichen Leben ist nicht anders, als in der Natur. Wenn alles seinen gewöhnlichen Rhythmus läuft, dann passiert nichts und nur durch unruhige Zeiten kommen starke Menschen in diese Welt, die den schwachen helfen und sie unterstützen. Sie sind wie Bernsteine. Bernsteine sind sehr leicht, aber sie heißen doch Steine. Kein Stein besitzt so viel Wärme und Licht, wie der Bernstein. Das ist ein besonderer Stein. So von der besonderen Art sind die Frauen, über deren Schicksal wir in unserer Konferenz erfahren werden. Wenn man sie sieht, da haben sie nichts besonderes in sich, aber sie besitzen eine enorme Kraft und diese Kraft schöpfen sie in ihrem festen Glauben an Gott. Sie geben der Welt Wärme und Licht. Ich habe in der Schale noch eine Kerze und möchte dieselben Worte sagen, die Christinnen aus Polen 2005 der ganzen Welt gesagt haben:
LASST UNS LICHT SEIN! Und Gott segne uns alle!

In 3 Abschnitten wurde aus der Widerstandsarbeit unterschiedlicher Länder und Zeiten berichtet.

Der deutsche Widerstand des Kreisauer Kreises wurde auf der Führung über das ganze Gelände deutlich, im Schloss mit der Ausstellung und im Berghaus mit der Gedenkstätte.

In POLEN kam es mit der Entstehung der Solidarnocs - Bewegung 1980 in der Danziger Werft im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen zu Verfolgungen, Verhaftungen und Berufsverboten. Frauen und Männer mußten ins Exil. Es kam zu den Danziger Vereinbarungen zwischen der Regierung und den Streikenden, die aber keine echte Besserung der wirtschaftlichen und politischen Lage brachte, sondern eher größere Einschränkungen. Wieder gab es Verhaftungen, Berufsverbote, Hausdurchsuchungen, Flugblattaktionen, Radiosendungen aus dem Untergrund. Solidarnosc arbeitete bis 1988 im Untergrund.
Magda Zietkiewicz (Jahrgang 1956 und heute Mitarbeiterin der Stiftung Kreisau) erzählte uns von ihrer Zeit als Journalistin. Sie entschied sich zu Beginn der 80iger Jahre nach mehreren Hausdurchsuchungen und wegen ihres Berufsverbotes mit ihrem kleinen Sohn nach Westberlin ins Exil zu gehen, wo sie als Putzfrau arbeitete.

Weißrußland /Belarus, heute an der neue EU-Ostgrenze gelegen. Seine Geschichte ist verbunden mit dem Widerstand gegen die nationalsozialistische Kriegsmacht. Die Menschen haben unter der stalinistischen Diktatur gelebt und die heutige Situation ist noch weit von der Demokratie entfernt.
Irina Gruschewaja erzählte von ihren Erfahrungen.
Sie ist eine der 1000 Frauen, die für den alternativen Nobelpreis vorgeschlagen sind.
Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl - 12 km von der weißrussischen Grenze entfernt - hat sie ein europaweites Solidaritätsnetz aufgebaut. Sie beschreibt die Schwierigkeiten, mit denen sie bis heute zu kämpfen hat. In Belarus wurde ein Nachrichtenverbot verhängt und die Betroffenen selbst werden bis heute nicht angemessen geschützt. Stiftungen und NGO's sorgten und sorgen für die "Kinder von Tschernobyl". Irina Gruschewaja's Leben wurde vom Schock dieser Katastrophe total verändert und ihr ganzes Engagement gilt seitdem den Opfern.

In Breslau wurde die Zusammenarbeit von 4 Gemeinden - katholisch - orthodox - lutherisch - jüdisch - im Stadtviertel der Toleranz vorgestellt. Die verantwortlichen Frauen zeigten uns, wie Kinder gemeinsam an die unterschiedlichen Religionen und Frömmigkeiten, ihre Kultur, ihre Tradition und ihre Feste herangeführt werden können. Die Menschen wohnen im gleichen Stadtbezirk, sehen sich im Alltag, die Kinder spielen zusammen und lernen sich besser zu akzeptieren. Toleranz und Zusammenarbeit ist das Bildungskonzept. Die jüdische Schule wird als öffentliche Schule anerkannt. Auch Schülerinnen und Schüler anderer Glaubensrichtungen werden hier unterrichtet.

Für die Frauengruppe waren die Abende mit eigenen Beiträgen wichtige Zeiten.
Hier kamen die Erfahrungen der Frauen, die Erlebnisse ihrer Mütter in der Zeit der verschiedenen politischen Besetzungen und Vertreibungen zur Sprache. Eine 86jährige deutsche Teilnehmerin las Familien-Briefe aus der Zeit der Flucht vor der russischen Armee1945 vor. Sie erzählte von Strapazen und Hoffnungen in diesen Monaten. Eine 35jährige Teilnehmerin aus Lemberg las Briefe einer Frontsoldatin an ihren Vater aus den 40iger Jahren vor. Krystina aus Breslau erzählte wie in der besetzten Stadt die Universität im Untergrund arbeitete, sie selbst studierte damals. Das Menschen-verachtende dieses brutalen Krieges wurde spürbar.

Es ist wie ein Wunder, dass dann durch das gemeinsame Gebet leidvolle Erinnerung aufgehoben werden kann bei Gott.
Und durch Gesang auch. Am letzten Abend tanzten wir gemeinsam, tauschten Geschenke und Erinnerungen aus.

Die fünf Tage in Krzyzowa/ Kreisau waren eine Zeit des Kennenlernens von Frauen aus osteuropäischem Umfeld, mit ihrem Werdegang - ihrem politischen Hintergrund und ihrem christlichen Engagement.
Jede Frau setzt sich in ihrem Bereich besonders ein.
Jede Frau brachte auch etwas besonderes mit - ihr Wissen - ihre Erinnerung - ihre Lebendigkeit und ihre Bereitschaft, auf andere Frauen zuzugehen! Die 5 Tage waren eine Zeit des Hörens und Lernens, der Ermutigung und der Gemeinschaft über Grenzen hinweg. So entsprach diese Reise dem Motto der ökumenischen Versammlung:
Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa im Licht des Evangeliums.
´Das Licht Christi scheint auf alle`.

Bericht: Ingrid Hampel/ Hanna Manser

Eine Reise ins Nachbarland Polen aus Kaliningrad ist erst dann möglich, wenn man ein Visum besitzt. Unsere kleine ökumenische Gruppe aus Kaliningrad (3 Frauen) hat mit großer Dankbarkeit die Einladung für das Frauentreffen angenommen und sich auf den Weg gemacht. Zwei von uns waren noch nie in Polen. Kaliningrad hat viel gemeinsames mit Wroclaw. Unsere Stadt hieß vor 60 Jahren Königsberg, Wroclaw hatte den Namen Breslau gehabt. Schon ein Thema für ein gemeinsames Gespräch.
Aber unsere heutige Situation ist noch komplizierter, wir wohnen in einer Exklave. Jeder kann sich gut vorstellen, wie schwer das ist, wenn man zwei Grenzen überwinden soll, um aus Russland nach Russland kommen zu können.
Das Thema der Begegnung in Krzyzowa fanden wir sehr interessant. Frauen im Widerstand.
Heute im nachhinein, würde ich anders sagen: christliche Frauen im Widerstand. Ohne Jesus Christus, ohne einen festen Glauben an Ihn und Seine Führung, hätten Kristine aus Polen und Erika aus Deutschland während des 2. Weltkrieges nicht überlebt. Sie sind für alle Teilnehmerinnen des Seminars lebendige Beispiele dafür geworden, wie man dem Bösen in allerschlimmsten Zeiten als Frau, als Mutter widerstehen kann. Durch ihre taktvollen Lebensberichte sind wir alle besinnlicher, dankbarer, verständiger und versöhnlicher geworden.
Ich muss zugeben, wir alle haben voneinander zu wenig gewusst.
Ein Satz kommt nicht aus dem Kopf: anders, heißt es nicht schlechter.
Das ist das Motto der jüdischen Schule in Wroclaw, die unsere Gruppe besucht hat. Wir sind anders, aber nicht schlechter. Schön wäre es, immer daran zu denken, wenn es um andere Völker geht.

Gemeinsame Gespräche, Andachten, Lesungen aus der Bibel, Berichte über Perestroikazeit und Solidarnostbewegung, die Möglichkeit den anderen zu erzählen, und die anderen zu verstehen, gemeinsames Essen, wie bei Christen üblich ist, und der Gottesdienst zum Abschluss des Seminars: das alles hat uns Frauen aus fünf Ländern an diesen Tagen vereint und bewusst gemacht, dass wir Frauen Licht des Evangeliums der Welt tragen sollen, dass wir als Mütter verantwortlich für die Zukunft unserer Kinder sind und das wir alle, ohne Ausnahme, Frieden für diese Welt wünschen.
Danke Organisatoren, danke für die Idee des Seminars, danke den polnischen Freuen, sie haben uns überall in ihrem Land begleitet und wir haben uns in Polen wohl gefühlt.
Einen besonderen Dank den Sponsoren, dank ihren Spendern ist diese Begegnung möglich geworden. Mit diesem Seminar haben sie ganz gewiss für die Versöhnung und den Frieden in Europa gestiftet.

Nadezda Tiptenko, Kaliningrad

 

« zurück