Frauenpolitik
Respektvolle und vielfältige Debatte rund um §218 StGB

19.06.2025
Ein umstrittenes Thema in der gesellschaftlichen Debatte ist die Frage, ob der Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt wird. Auch in der evangelischen Kirche ist das Meinungsbild nicht einheitlich.
Die Überlegungen aus christlicher Sicht haben die Evangelischen Frauen in Deutschland in einer Broschüre zusammengetragen. Die Theologin Susanne Sengstock war viele Jahre im Frauenwerk der Nordkirche und im Präsidium der Evangelischen Frauen in Deutschland tätig. Sie ist Mitautorin der Broschüre „Der Paragraf 218 in der theologischen Debatte”, die biblische Traditionen und theologische Überlegungen verhandelt.
Zum Online-Abend am 4. Juni stellte Susanne Sengstock Kernfragen und Argumente vor. Ihrem Verständnis nach hängt eine Positionierung zu §218 StGB sowohl vom Bibelverständnis als auch vom Gottes- und Menschenbild ab.
So finden sich in der Bibel oft unterschiedliche, teilweise gegenläufige oder widersprüchliche Aussagen. „Das ist kein Fehler, sondern Programm. Denn so vielschichtig wie das Leben sind auch die biblischen Texte“, so Susanne Sengstock. Und so vielfältig wie die Texte, so unterschiedlich auch die Auslegung. Die Bibel enthält keine systematische theoretische Reflexion zu ethischen Themen. „Sie erzählt Geschichte(n), beschreibt konkrete Situationen, die meist Freiheit und Gerechtigkeit thematisieren.“ Mit Hilfe dieser Erzählungen könnten Menschen heute ethischen Urteile, Haltungen und Überzeugungen bilden oder überprüfen.
Eine angemessene Haltung von Christ*innen zu Abtreibung kann laut Susanne Sengstock wie folgt aussehen:
- (schwangere) Menschen und Konflikte respektvoll wahrnehmen,
- ehrlich gegen Scheinheiligkeiten vorgehen,
- Uneindeutigkeiten aushalten,
- Menschen, sofern sie es wollen, empathisch begleiten und beraten – ohne jeglichen Paternalismus.
Ihrem Vortrag schloss sich eine lebendige und respektvolle Diskussion unter den rund 30 Teilnehmer*innen an. Viele befürworteten zwar die Entkriminalisierung, hielten jedoch das grundsätzliche Dilemma von Schwangerschaftsabbrüchen für unauflösbar. Zwei junge Menschen äußerten in der Debatte ihre generelle Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen. Beraterinnen berichteten von ihren Erfahrungen mit den Frauen, die in eine Schwangerschaftskonfliktberatung kommen. Dabei kam auch zur Sprache, wie Abtreibungsgegner*innen agieren: von Gehsteigbelästigungen bis hin zu persönlichen Anschreiben an Beraterinnen und deren diakonische Träger. Eine deutliche Rückenstärkung und Unterstützung seitens der Kirche sei gewünscht, formulierte eine Frau.
Hintergrund
Der Beschluss der Mitgliederversammlung der Evangelischen Frauen in Deutschland vom 05. Oktober 2023 im Wortlaut:
- Der § 218 ist aus dem Strafgesetzbuch zu entfernen.
- Das Recht darauf, ein Kind zu gebären, sowie das Recht, dieses Kind in sicherer, angemessener und behüteter Umgebung aufwachsen lassen zu können, muss gewährleistet sein.
- Das Schwangerschaftskonfliktgesetz könnte um eine Fristenregelung außerhalb des Strafgesetzbuchs ergänzt werden.
- Der Rechtsanspruch der schwangeren Person auf eine qualitative, ergebnisoffene, kostenfreie, barrierearme Schwangerschafts(konflikt)beratung muss gesichert sein; diese muss erhalten und ausgebaut werden.
- Der Zugang zu und das Recht auf eine qualitätsgesicherte Gesundheitsversorgung (Schwangerschaftsvor- und nachsorgeleistungen sowie sichere Abbrüche) muss gewährleistet sein.
- Die Beendigung einer ungewollten Schwangerschaft und die Nachsorge müssen Kassenleistungen sein.
- Sexuelle Bildung und Information zur Aufklärung muss wohnortnah, barrierefrei, mehrsprachig, kultur- und diversitätssensibel angeboten werden. Der Zugang zu kostenfreien Verhütungsmitteln muss gesichert sein.
Zugehörige Dokumente:
§218 in der theologischen Debatte (*.pdf-Datei, 2 MB)